10.03.2025 Verantwortliche:r Redakteur:in: Stefan Girschner
Kürzlich hat die EU-Kommission bekannt gegeben, bis zu 54 Millionen Euro in neue Sprachmodelle (OpenEuroLLM) zu investieren. Der KI-Experte Eckhart Hilgenstock rät Unternehmen, einen „Chief AI Officer“ einzusetzen.
Mit der Ankündigung einer „Europa-KI“ ist der alte Kontinent „endlich aus dem KI-Schlaf aufgewacht“, sagt der auf die KI-Einführung in Unternehmen spezialisierte Interim-Manager Eckhart Hilgenstock. Die Bekanntgabe der EU-Kommission, bis zu 54 Millionen Euro in neue Sprachmodelle (OpenEuroLLM) zu investieren, wertet er als ein „Signal des Aufbruchs“. Das Konsortialkonzept aus Startups, Universitäten und Supercomputing-Zentren hält der Experte für richtungsweisend. Damit nimmt auch die Bedeutung des Chief AI Officer in Unternehmen zu.
Eckhart Hilgenstock sagt: „Die EU-Kommission hat offenbar erkannt, wie wichtig die Einbeziehung von Unternehmen aus der Privatwirtschaft und vor allem von innovativen Start-ups ist, um bei neuen Themen wie künstlicher Intelligenz mit hoher Dynamik mithalten zu können. Der selbst für Experten überraschende Erfolg von DeepSeek hat China neben den USA ins globale KI-Geschehen katapultiert. Jetzt wird es höchste Zeit, dass auch Europa ins Spiel kommt.“
Chief AI Officer: Stabsstelle für KI-Einführung
Zugleich appelliert der Interim Manager an die Wirtschaft, losgelöst von den politischen Weichenstellungen ihr eigenes KI-Engagement deutlich zu erhöhen. Er meint: „Die Unternehmen sind gut beraten, bei Künstlicher Intelligenz wie auch bei anderen Themen nicht auf die Politik zu warten, sondern selbstständig voranzugehen.“ Konkret empfiehlt er aus Erfahrungen in zahlreichen KI-Einführungsprojekten die Einrichtung einer eigenen Position für Künstliche Intelligenz mit Führungsverantwortung, die direkt an den Vorstand bzw. die Geschäftsführung berichtet oder sogar auf der obersten Führungsebene agiert.
Als erste Aufgabe des Chief AI Officer (CAIO) sieht Hilgenstock „die Identifizierung und Priorisierung der größten KI-Potenziale“ im Unternehmen. Dabei sollten nach seinen Erfahrungen vor allem folgende Bereiche unter die Lupe kommen: Vertrieb und Marketing, Verwaltung, Qualitätsmanagement, Supply Chain Management und Logistik sowie die Produktion. Der Interim Manager, der bei seinen Projekten regelmäßig KI-Potenziale identifiziert und umsetzt, empfiehlt, zwar zu Anfang ein umfassendes, pragmatisches KI-Konzept zu erstellen, aber bei der Realisierung in kleineren Schritten iterativ vorzugehen.
KI-Einsatz im Vertrieb rechnet sich am schnellsten
Der Experte weiß aus Erfahrung: „Der KI-Einsatz im Vertrieb rechnet sich in der Regel am schnellsten, weil dadurch unmittelbar neue Kunden gewonnen werden können. Die verbesserte Auftragslage stärkt die Position des Chief AI Officer und verschafft ihm oder ihr die Freiräume, die Produktivität in weiteren Abteilungen durch KI-Tools zu erhöhen.“ Ebenfalls weit nach oben auf der betrieblichen KI-Agenda setzt er das Qualitätsmanagement. Die Datenauswertungen durch KI-Tools brächten häufig erstaunliche Ergebnisse zutage. „Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich oftmals sehr konkret und zu relativ geringen Kosten für Verbesserungen nutzen“, hat Hilgenstock festgestellt.
Chief AI Officer: Regulatorische Hürden sind überwindbar
Die regulatorischen Hürden bei der betrieblichen KI-Nutzung hält der Interim Manager für überwindbar. Er sagt: „Natürlich ist die Verwendung von künstlicher Intelligenz durch die KI-Verordnung und vor allem die strengen Anforderungen an den Datenschutz in Europa deutlich schwieriger als in den USA. Aber das darf die Unternehmen nicht dazu veranlassen, bei KI auf die Bremse statt aufs Gas zu treten.“ Nach seinen Projekterfahrungen gibt es „immer Wege zur rechtlich einwandfreien KI-Nutzung trotz des schwierigen regulatorischen Umfelds.“
Allerdings seien dazu neben dem EU AI Act und der DSGVO weitere Compliance-Themen zu adressieren. Eckhart Hilgenstock ist überzeugt: „Die Nachvollziehbarkeit betrieblicher Entscheidungen muss auch beim Einsatz von künstlicher Intelligenz gewährleistet sein. Der Einsatz von KI ist besonders gut für die Vorbereitung von Entscheidungen. Die eigentliche Entscheidung sollte jedoch von einem Menschen getroffen und überprüft werden. Und so gibt es viele kleine Hürden, die alle beachtet werden wollen, die aber auch alle mit vertretbarem Aufwand überwindbar sind.“
Was diese Herausforderungen sind und wie sie sich bewältigen lassen, schildert Eckhart Hilgenstock in seinem Buch „KI-Einsatz in Unternehmen: Chancen, Risiken, Erfolge“ (ISBN 978-3-98674-114-3).
Eckhart Hilgenstock zählt zu den gefragten Interim-Managern in Deutschland. Unternehmen holen ihn als Führungskraft auf Zeit in den Betrieb, wenn es um die Themen Wachstum und Vertrieb sowie Digitalisierung und KI-Einsatz in Organisationen geht. Seine Erfahrungen hat er unter anderem gesammelt als General Manager EMEA Sales Global Accounts bei Microsoft und zuvor als Managing Director DACH bei Lotus Development und IBM Deutschland. Eckhart Hilgenstock ist Mitglied im Diplomatic Council, einer Denkfabrik mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen.